Wenn Eltern sprechen…

Gestern hat man uns gerade nicht die Bude eingerannt….! Ich habe ja den Verdacht, dass es vielen Schülern gelungen ist, diesen Tag vor ihren Eltern zu verheimlichen.
Musti hat es mir ganz offen gesagt: „Ich hab Einladung zum Elternsprechtag meinem Vater nicht gegeben. Der rastet nachher immer aus und schlägt mich dann…“
Ich glaube ihm aufs Wort. Musti gibt sich Mühe, er arbeitet im Rahmen seiner Möglichkeiten, viel mehr ist nun mal nicht drin…aber der Vater will unbedingt, dass der Junge Abitur macht.
So! Soll ich Musti jetzt zusammenfalten und den Vater anrufen? Müsste ich eigentlich. Mache ich aber nicht. Es hat keinen Sinn mit dem Vater zu reden.

Auch Gamzes Baba ist ehrgeizig, er möchte, dass alle seine Kinder etwas werden.Gamze soll mindestens den Realschulabschluss machen, sagt der Vater, schließlich macht ihr großer Bruder Abitur. Ich bin etwas bedenklich, denn sie ist zwar fleißig, aber ihre Noten sind nicht berühmt, es ist alles im Viererbereich. Damit wird sie nächstes Jahr wohl kaum die Prüfung schaffen….. Der Vater guckt wild. „Sie hat mir VERSPROCHEN, sie macht Realabschluss!“ sagt er finster. Ach…. denkt er wirklich, so läuft das?
Gamze sagt gar nichts mehr.

Onur aus der Sieben hat Mutter und Tante im Schlepptau, die Tante soll übersetzen. Er sitzt so klein und still zwischen ihnen, dass ich ihn fast nicht wiedererkenne. Die Tante wundert sich darüber, dass Onur in Bio so schlecht steht. „Er hat eine Fünf?“ sagt sie, „das verstehen wir nicht, sonst hat er nur gute Noten, stimmts, Onur?“ Onur nickt und guckt mich nicht an.
Onur soll der Tante erklären, wie er zu einer so schlechten Zensur kommt.
„Ich melde mich, aber sie nimmt mich nicht dran ,“ sagt Onur leise, „und mein Ordner hat sie Sechs gegeben.“ Ich berichte, dass Onur nicht mitarbeitet und gar keinen Hefter abgegeben hat. „Hab ich wohl,“ sagt Onur und guckt wie ein Lamm. „ Er hat uns erzählt, Sie haben alle Ordner eingesammelt und seinen verloren,“ sagt die Tante streng.
Weshalb glauben Tanten und Mütter so was? Ich habe heute seinen Klassenlehrer nach den anderen Noten gefragt – er steht durch die Bank Fünf.
Weshalb erzählen sie mir so? Vallah, denken sie , bin ich blöd oder was?

Katis Mutter versucht herunterzuspielen, dass ihre Tochter in den letzten Wochen ziemlich oft geschwänzt hat. Vielleicht hat sie Schuldgefühle, weil das Kind Probleme hat oder sie will die Probleme nicht wahrnehmen.
„Kati hat ziemlich den Anschluss verloren,“ sage ich, „und Dienstag schreiben wir eine Deutscharbeit.“ Ich gebe der Mutter einige Arbeitsblätter, vielleicht kann Kati ja am Wochenende ein bisschen nacharbeiten.
„Ach,“ sagt die Mutter ganz von oben herab, „damit setzt sie sich Montag Abend um halb neun hin, und dann schreibt sie Dienstag ein Zwei!“
Hm…wenn das soooo ist….dann braucht sie ja wirklich nicht mehr zu kommen….

Dann kommt als Letzter Cengiz mit seiner Mutter. Ich unterrichte Cengiz seit fast einem halben Jahr nicht mehr, er hat den Kurs gewechselt. Er kann ganz gut zeichnen und er konnte es nicht ertragen, wenn ich ihm etwas zeigen wollte, das ließ sein männliches Stolz offensichtlich nicht zu.
Kaum war er weg, kannte er mich auch nicht mehr. Er übersah mich hochnäsig, wenn wir uns auf dem Hof begegneten.
Nun gefällt es ihm nicht in seinem naturwissenschaftlichen Kurs und er will zurück in meinen Kunstkurs..
Na, das kann er knicken. Selbst schuld.
„Cengiz,“ sage ich mit aller Freundlichkeit, die ich aufbieten kann, “ du weißt schon, dass wir damals bei deinem Kurswechsel eine sehr große Ausnahme gemacht haben?“ Cengiz nickt.
“Normalerweise geht das nämlich zwischen Klasse Neun und Zehn gar nicht! “ sage ich zur Mutter. „Ein zweites Mal ist da wirklich nichts zu machen.“
„Aber…Frl. Krise, vallah, Sie wissen doch…eigentlich abooo, ich….…“, Cengiz stottert und und versucht es dann mit schleimigem Charme: „Frl. Krise! Ich weiß doch, dass Sie die beste……!“
Da fällt ihm seine Mutter ins Wort: „ Hörst du, es geht nicht, sagt deine Lehrerin. Musst du dir vorher überlegen, was du machst. Bist du nicht mehr kleines Kind, Cengiz!“
Endlich mal eine Mutter mit Durchblick!

Ach, die Eltern, würden sie doch mal drei Tage meinen Job machen….

Dieser Beitrag wurde unter Lästige Pflichten veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

9 Antworten zu Wenn Eltern sprechen…

  1. Shannon schreibt:

    Ich tausche mal eine der „Mütter“, die bei mir auftauchen, wenn Sie wollen, und kriege dafür eine von ihren. Wollen Sie lieber die Übermutter „Mein Kind kann das, das weiß ich genau. Wenn der Lukas das nicht versteht, dann liegt das wohl an Ihrem Unterricht…“ oder die Ich-bin-nur-deren-Papas-neue Freundin „Ich weiß gar nichts von dem Mädel, ich bin nur da, weil ver Volker das toll findet, wenn ich mich um die kümmer.“?

  2. die Schmith schreibt:

    Ich kann Cengiz‘ Mutter nur Beifall klatschen. Wunderbar. Vielleicht sollte sie den anderen Eltern Kurse erteilen.

  3. fraufreitag schreibt:

    was waren das noch für zeiten, als es hieß: Frl Krise, du sagen…

  4. borsetta schreibt:

    hatte gestern abend ebenso Elternsprechdingsbums und kann mich der Frage „warum glauben Eltern das“ nur anschließen. Bin immer wieder überrascht, was man so über den eigenen Unterricht, das eigene Verhalten zu hören bekommt und wie „falsch“ man angeblich seinen eigenen Schüler wahrnimmt…. und das obowhl ich meinen Job und auch die kids mag (auch wenn mir da von Eltern immer wieder Gegenteiliges bewiesen werden will, weil ihre Kinder natürlich die besten und fleißigsen sind….egal welcher Herkunft….)

    und weil ich schon dabei bin, kann ich hier gleich anmerken, dass es eine Wohltat für LehrerInnenseelen ist, den blog zu lesen und sichimmer mal wieder zu denken, ach guck, da ist’s auch nicht viel anders als bei mir hier (in Österreich)…. der gnaz normale heißgeliebte Alltagswahnsinn eben ;)) liebe Grüße….

    • michael schreibt:

      > in immer wieder überrascht, was man so über den eigenen Unterricht, das eigene Verhalten zu hören bekommt und wie „falsch“ man angeblich seinen eigenen Schüler wahrnimmt….

      Das nennt sich ’selektive Wahrnehmung‘ und kann überall (bei Eltern und bei Lehrern) beobachtet werden. Ausserdem sehen Eltern und Lehrer die Kinder in verschiedenen Umgebungen und in sofern ist es das ganze nicht verwunderlich.

  5. Ulla 39 schreibt:

    Ach, die Eltern, würden sie doch mal drei Tage meinen Job machen…(Zitat)

    Ja, was wäre dann?! Die Kinder würden sofort, beim kleinsten Mucks, geschlagen und wären brav wie Lämmchen. Ganz unpädagogisch, aber wirksam… Wollen wir das aber hier in Deutschland?

    • frlkrise schreibt:

      Darum gehts mir gar nicht…
      Die eltern sollen mal miterleben, dass ihr kind auf einmal nur eins von vielen ist. Eins, dass sich genau so um die Arbeit herumschummelt wie die anderen, eins, das auch nicht schlauer ist, eins, das auch nicht lieber als die anderen ist. Kurz gesagt: Natürlich ist das eigene Kind für die Eltern das tollste Kind, klar, aber in der Schule sind noch 25 genau so tolle kinder in der Klasse…!Und als Lehrer muss ich jedem gerecht werden, nicht nur dem lieben, kleinen, verlogenen Onurlein ….

      • Ulla 39 schreibt:

        Ich weiß, frlkrise, daß es Ihnen gar nicht darum geht. Es ist nur so, daß die unter hiesigen Lehrern verbreitete differenzierte Betrachtungsweise, von der man doch lernen könnte, den Eltern der meisten Ihrer Schüler fremd ist, zu mühsam auch anzuwenden.
        Ich bin erst heute auf Ihr Blog gestoßen und bewundere Ihre Haltung uneingeschränkt.

  6. Sekil schreibt:

    Nicht den Job machen – aber wurde schon einmal ueberlegt, einfach nur den Kram aufzunehmen? Und dann zu zeigen?

Hinterlasse eine Antwort zu michael Antwort abbrechen