Integrationsexperiment Teil II

So, wer wissen will, wie es los ging und wieso und warum, muss zuerst Teil I unserer Integrationsmaskerade bei Frau Freitag lesen, die hat schon gepostet. Ich komme erst jetzt nach Hause und darf nur noch die Reste erzählen ….

Frau Freitag kam sich ja schön und toll vor mit ihrem Kopftuch und der chicen Sonnenbrille, ich dagegen sah zwar verdammt echt aus, fühlte mich aber nicht gerade attraktiv, sondern wie eine abgekämpfte Mutter von acht bis neun Kindern.
Natürlich hatte ich auch wie üblich die A-Karte gezogen: Ich musste Auto fahren- nach hinten gucken geht übrigens nicht so gut wie sonst- und trug eine fette Tasche wegen der Kamera.

Ich fahre auf einmal schlechter Auto, bilde ich mir ein, Frau Freitag merkt das zum Glück nicht. Verunsichert mich das neue Outfit?
Wir werden immer mal wieder von einem kleinen Lachkrampf geschüttelt, dabei fühle ich mich in meiner Montur schon bald ganz heimisch. Ich darf bloß Frau Freitag nicht angucken!

Erst auf der Straße wird mir ein bisschen mulmig, denn Frau Freitag fängt beim Laufen an zu rauchen. Das macht eine junge Muslima nicht! Finde ich jedenfalls. Aber Frau Freitag kennt da nix. Zum Glück treffen wir niemand aus unserer Community, sonst wäre unser Ruf gleich ramponiert. Gut, dass wir unseren Baba zu Hause gelassen haben, der hätte zuviel gekriegt….

Eigentlich beachtet uns kein Mensch, auch nicht in der großen Buchhandlung, obwohl wir wirklich die einzigen Kundinnen mit Kopftuch sind.
Hier gibt es auch ein kleines Cafe, wir trinken eine Cola und tuscheln über den Mann am Nebentisch, der liest nämlich das Buch: ‚Der Untergang des Islam‘. Aber der tut einfach so, als ob wir nicht da wären. Tssss. Am liebsten würde ich ihn ansprechen: „ Ist nicht gut, Buch nicht lesen…..“ Aber ich trau mich nicht….

Dann fallen wir noch in einen Klamottenladen ein, ich kämpfe allerdings inzwischen mit der Hitze, die es sich besonders um meinen Hals herum breit gemacht hat. Von wegen: „ Mir ist nicht heiß!“ Ich transpiriere, als ob ich im Sportstudio stünde…Frau Freitag hingegen probiert sogar noch Pullover an und stellt fest, dass hinterher die Frisur , bzw. das Kopftuch immer noch wie angegossen sitzt, na ja gelernt ist gelernt!
Ich nehme auch ein T-Shirt mit, aber ohne es vorher anzuziehen, nee, danke schön!

An der Kasse passiert etwas Komisches: Als ich dran bin, steht die Kassiererin plötzlich auf und geht ein paar Schritte nach links zu einer Kundin, die einen Mantel anprobiert. Dabei wird die bereits von zwei Verkäuferinnen beraten!
Ich warte geduldig, bis sie wiederkommt, aber sie macht keine Anstalten. Frau Freitag ergreift die Initiative und ruft ungeduldig nach der Kassiererin, die sich etwas widerstrebend von ihrer Gruppe löst und auf ihren Platz zurückkehrt. Hat sie das nun extra gemacht? Oder war das bloß die übliche Unhöflichkeit von übellaunigem Personal, dass sonntags arbeiten muss?
Ich bin ein bisschen verunsichert und als mein T-shirt in eine große Tüte gesteckt werden soll, sag ich ganz bescheiden und mit fast türkischen Akzent: „nein…kleine Tüte….“
Frau Freitag amüsiert sich zwar darüber, findet das Verhalten der Kassiererin aber voll daneben. Ich natürlich auch und ich bin ganz sicher, normalerweise hätte ich laut protestiert, aber da ich so in der Minderheit bin, versuchte ich mich doch etwas unauffälliger zu benehmen…wer hätte das gedacht?

Das nächst Mal müssen wir in einen Kiez gehen, wo das Kopftuch die Regel ist….mal sehen, ob sich Integration da anders anfühlt…..

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13 Antworten zu Integrationsexperiment Teil II

  1. fraufreitag schreibt:

    Ich lach mich jetzt noch schlapp, wie du aussahst… hahahahaha, vallah meine HonigPerle, voll schÖn. (herz, herz, herz) oki uiiiiii machen wir wieder oki?

  2. Shannon schreibt:

    Sehr süß, Ihre Intergration. Obwohl ich gern gewusst hätte, was der Mann mit dem Buch auf so eine fundierte Aussage wie die von Ihnen angedachte geäußert hätte. 😉

  3. cassionetta schreibt:

    Vallah, so geil…machen Sie zwei bloß weiter.

  4. croco schreibt:

    Ja, so ist das, wenn man mal einen Tag in den Mokassins der anderen gegangen ist. Ach, das ist ja eine andere Geschichte ;-))
    Gute Idee übrigens.
    Hab mir mal vor vielen Jahren in der Metro in Paris so ein Tuch so umgebunden. Ich fand, man hat mich plötzlich abschätzend angeschaut. Ich habe mich sehr unwohl gefühlt, und nicht stark.

  5. seelenbalsam schreibt:

    …ein mutiges Experiement! Klasse! Ich ziehe das Kopftuch! 🙂

  6. RobivanKenobi schreibt:

    Schönes Ding! 😀

    Erinnert mich an meinen Zivildienstlehrgang: Da bin ich einen Tag lang im Rollstuhl in der Stadt unterwegs gewesen – das war auch eine sehr spannende Erfahrung in puncto Diskriminierung…

  7. Seifenfrau schreibt:

    …sie beide machen ja tolle Sachen!
    Bei ihnen macht Bloglesen echt Spaß!

  8. renosch schreibt:

    Liebe Frl. Krise!

    Es ist noch spannender bei Ihnen den zweiten Teil zu lesen, denn Sie schreiben ja auch darüber wie die Leute reagiert haben.

    Zum Glück treffen wir niemand aus unserer Community

    Na, das wäre ja wirklich spannend. Aber vielleicht haben Sie ja auch eine Schülerin, bei der Sie sich vorab ein paar Tips holen können (ohne ihr davon was zu erzäheln ?!)

  9. Frl Ede schreibt:

    …meine Herrn, respektive meine Damen, Ihr könnt ja glatt als weibliche Günther Wallraffs under cover auftreten… Ich bewundere Euch und wäre gern dabei gewesen, vor allem an der Kasse. Da wär` mir sicher das Kopftuch verrutscht und zum „Argument“ geworden. Ob geschmeidige Kopftücher allerdings genauso gut treffen wie ein Brett, ist zu bezweifeln.
    Wo kann man sich anmelden zum Schämen über solches Verhalten ausgebildeter, freundlicher Verkäuferinnen?

  10. beautycircus schreibt:

    mein mann (türke) findet das gar nicht witzig wenn ich mir ein kopftuch umbinde und erst recht nicht in der öffentlichkeit!
    in seiner familie gibt es eine frau (die schwester des vaters) die das gewagt hat aber mit der redet jetzt auch keiner mehr.
    so ist das!

  11. Rueya schreibt:

    Hallo,
    ich hab heute zufällig ein Artikel (bei yahoo.de) über Frau Freitag gelesen, dass sie ein Buch veröffentlicht hat. Und irgendwie kam es mir ganz unwirklich vor. Aber ich hab dann den Link kopiert und habe mir den Blog von Frau Freitag mal angesehen und einiges schon gelesen. Die Rubrik Integration gefällt mir bisher am meisten! Wie wahr!
    Habe auch ein Migrationshintergrund, aber ich glaube bin gut angekommen ;).
    Machen sie weiter so! Die Texte sind genial und treffen wirklich ins Schwarze!!! Ich werde sie abonnieren, die Texte und weiß jetzt, was ich im nächten Urlaub / in der nächsten freien Zeit tun werde. Danke!!!
    MfG Rueyasen

  12. Gast schreibt:

    gibt es eine Möglichkeit das Video nochmal zu sehen? Es wurde ja entfernt bei Frau Freitag 😦 Ich finde das Experiment übrigens Klasse genauso wie Ihren Blog 🙂 Und was bedeutet eigentlich abo?

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