Leute beobachten ist mein Hobby. Dazu hat man an der Tanke reichlich Gelegenheit. Schon wie manche verschreckt gucken, wenn ich mich anpirsche und mein Sprüchlein herbete! Die Leute sind es echt nicht mehr gewöhnt, dass es Service gibt…
Und was Menschen so alles anstellen, um die Zapfpistole in den Einfüllstutzen zu bekommen! Das ist sehenswert! Da wird am Schlauch gerissen und gezerrt, die Beine werden in den Boden gestemmt und sich nach hinten gelegt, um IHN über oder um das Auto herum zu ziehen. Das sieht aus, als kämpfe der Tankende mit einem widerspenstigem Raubtier! Unfassbar. Und dann noch versuchen, die Zapfpistole falschrum in die Öffnung zu klemmen. Genial! Fehlt nur noch ein Handstand…
Herr Knoder kommentiert derartige Sperenzchen gerne mit einem herzlichen :
“ Wenn de denkst, du hast’n drinne, klemmter inner Sofarinne.“
Mein Chef war übrigens gestern ganz zufrieden mit mir – bloß, dass ich mich ein bisschen dämlich beim Reifendruckmessen angestellt habe, hat ihn schwer irritiert.
Heute morgen hatte ich mir es mir gerade mit einem Kaffee in der Sonne nett gemacht, als ein schwarzer 3er BMW in die Tanke reinbretterte. Frischlinge!
Drei Jungs sprangen aus dem Auto. Zwei stürmten gleich ins Bistro. Kippen holen, was sonst! Der dritte versuchte den Tankdeckel des Autos zu öffnen. Irgendwie klappte das nicht. Ich schlich mich unauffällig an.
Der junge Mann kam mir schon von hinten so bekannt vor: Und er war es! Firat aus der Parallelklasse, der vor einem Jahr weggezogen ist. Der Dödel mit dem Messerstich!
„Firat!“
„Äh…ach! Echt jetzt? Frl. Krise? Sind Sie nicht mehr Schule? Arbeiten Sie auf Tankstelle?“
„Nein, ich habe Ferien. Der Chef ist ein Onkel von mir! Ich helfe nur ein bisschen!“
„Alles klar!“ Firat nickte. Das mit dem Onkel leuchtete ihm total ein. „Ich arbeite auch bei mein Onkel, aber Gemüseladen!“ Er sah fast ein bisschen neidisch aus.
Inzwischen kamen die beiden anderen wieder angeeiert. Der eine hatte einen schweren Undercut à la Gomez und der andere war dermaßen sonnenstudiorotbraun, dass es mir weh tat.
„Tankdeckel geht nicht auf!“ sagte Firat anklagend und Gomezverschnitt begann nun auch am Tankdeckel zu nesteln. First zielte mit dem Schlüssel wie mit einer Waffe in Richtung Auto: Zentralverrieglung auf und zu – und nochmal. Nichts rührte sich.
„Auto, du Hurensohn!“ fauchte Gomez das Auto an, das aber schwieg vornehm und bewegte sich nicht ein bisschen.
„Braucht ihr Hilfe?“ fragte ich, obwohl ich genau wusste, dass ich da nichts ausrichten konnte. „Auf keinen!“ fauchte mich der Rotbraune an.
Ich ging langsam ins Bistro, wo mein Chef gerade ein Würstchen mit Senf verspeiste und mich angrinste.
„Vaschluss klemmt, wa? Kennste die Piepels?“ nuschelte er kauend.
„Ja, der eine Typ ist ein alter Schüler von mir….!“
„Hm…!“ Knoder schmatze. „Ick vaklicka dir ma, wie det uffjeht!“
Und dann verklickerte er mir in aller Gemütsruhe, wie man mit einem mechanischen Zug, der sich im Kofferraum hinter der Seitenwandverkleidung befindet, die Zentralverrieglung überlisten und den Tankdeckel öffnen kann.
„Siehste gleich! Jrüner Knopf!“
Ich schlenderte gemütlich raus. Die Jungs waren komplett durch den Wind.
„Vallah, es geht nicht! “
„ Aber wir MÜSSEN tanken, lan!“
„Ich ruf mein Kuseng an!“
„Halt!“ rief ich. Wie in der Schule! „Kein Händy an der Tankstelle! Lasst mich mal ran!“
„Das kriegen SIE auch nicht auf!“ Firat sah mich düster an. Ich überhörte den leicht überheblichen Unterton.
„Doch, doch….das kriege ich auf! Glaube deiner alten Lehrerin!“
„Lehrerin???“ Gomez sah mich an wie ein Auto.
Ich strafte ihn mit Missachtung, öffnete souverän den Kofferraum, zack, drei Handgriffe und der Tankdeckel sprang auf.
„Bitte sehr! Kennt man vom 3er!“ sagte ich lässig, trat zurück und reichte Gomez im Vorbeigehen die Zapfpistole.
Tanken sollten die mal schön alleine….
Die Jungs guckten mich an, als sei ich eine Erscheinung aus dem Serail.
„Hey!“ quälte sich dann Gomez ab. „Cool!“ und Firat nickte heftig.
„Kein Problem,“ sagte ich bescheiden und schritt zur Zapfsäule nebenan, an der sich gerade ein weißhaariger Mann aus seinem Ford Jetta hangelte.
„Darf ich Ihnen helfen?“
Später sagte dann Knoder (wieder mit vollem Mund – diemal war es eine Bulette!): „Dit junge Jemüse!! Für 9 Euro ham die jetankt! Typisch! Keene Haare uff’n Kopp, aba ’n Kamm inne Tasche!“
Herrlich!
😀
Sehr schön…
Besonders das „lässig“ brachte mich wirklich zum Lachen. Gekonnt ist halt gekonnt 😀
Wieee lange dauert Ihr Praktikum an der Tankstelle? Nur damit ich mich für diese Zeit auf puren Genuß beim Lesen einstellen kann.
Oh jehhhhh….! Ist schon vorbei.
Herr Knoder hat seinen Kuseng eingestellt. Tscha! Dieses Kusengwesen nimmt überhand.
Aber mir wird schon noch was anderes passieren…
Och Schade. Wollte am nächsten Woche vorbeischauen. Mal gucken, ob Sie den Tankdeckel an meinem Motorrad aufbekommen.
Ich hätte vermutlich mit Tränen in den Augen lachend am Boden gelegen
Toll! Einfach klasse!
Alleine für die Aktion hat sich der „Ferienjob“ ja schon gelohnt! Ich bin mal gespannt wieviele Schüler und Ex-Schüler mit tiefergelegten BMW´s noch so auftauchen! Die Jungs kommen bestimmt erst wieder, wenn die Schule wieder „läuft“! Wenn Sie überhaupt wissen, wann es wieder los geht 😉 !
„Keene Haare uff’n Kopp, aba ‘n Kamm inne Tasche!“ – hat er doch jugendfrei vormuliert, der Herr Knoder. Das sind „die Ärzte“ schon direkter. 🙂
formuliert natürlich
Mein Lateinlehrer sagte in so Momenten immer: Keine Haare am Sack, aber im Puff drängeln!
so klasse, das heitert mich heute total auf 🙂
„der sich gerade ein weißhaariger Mann aus seinem FORD JETTA hangelte“
Der war gut!
made my day! 😀
ich Banause musste hier natürlich googlen … Frl. Krise bildet! 🙂
Köstlich!
Laokoon-Gruppe…
An diese Art Episoden mit ‚ausgewilderten‘ Ehemaligen könnte ich mich auch gern gewöhnen.
Schade schade schade.
War köstlich, Frau Krisi!
😀 Wie geil!
Aber die Armen! Sie haben sie bestimmt tief in ihrer männlichen Ehre gekränkt!
Der Testosteronspiegel war bestimmt noch den ganzen Tag unten. 😉
Cool!
och menno, Mist ! Tanke leider schon vorbei…
Herrlich!!
Herr Knoder ist ja auch ein cooles Original – und Sie haben „die Vorlage herrlich versenkt“, wie man dieser Tage so sagt 😉
Herrlich,
ein wirklich starker Auftritt ! Sehr schön.
Und schade, daß es schon wieder vorbei ist.
Wirklich schade, dass die Tanke-Episode schon wieder vorbei ist. Vielleicht kommt ja noch ein anderer interessanter Ferienjob nach. 🙂
„ Aber wir MÜSSEN tanken, lan!“
Ich schmeiß mich weg, sitz im Büro und grins vor mich hin! Was für eine super Erkenntnis. Kann mir genau die verzweifelten Blicke dieser Oberchecker vortstellen. Und dann Sie, die Situation souverän meisternd – toll, danke dafür! 🙂
Schade dass es schon wieder vorbei ist, mich hätte es doch mal interessiert, weshalb man an einer Tanke denn nicht telefonieren sollte …
mit einem handy telefonieren! Gebrauchsanweisung genau lesen!
Natürlich mit einem Handy, nur warum nicht, das war die Frage!
Nun, telefonieren darf man natürlich, das macht dem Tankvorgang oder der Tanke nichts aus. Sollte das Handy aber auf den Boden fallen, der durchaus kraftstoffgetränkt sein kann, und sollten dann zufällig Funken entstehen (Betonboden + Metall am Handy = Funke), und sollten diese Funken in die leicht entzündlichen Dämpfe, die über dem kraftstoffgetränkten Boden wabern, eindringen – dann Halleluja…das macht der Tanke dann schon was aus.
Ich nehme an, Autoschlüssel und der Tankstutzen selbt bestehen aus speziell funkenfreiem Metall?
Da es nur so kurz war, gibts noch ein Praktikum? Iss total amüsant…
@lichterspiele es geht gar nicht um das telefonieren, es geht darum, dass wenn ein Handy herunterfällt es zu einem Funkenschlag an den Kontakten kommen könnte…
Da hör ich doch schon das wilde Augenrollen aller Physiker …
Ich hatte schon große Sorge. Die Ferien und nichts Neues aus der Schule von Frl. Krise. So habe ich aber die Hoffnung, dass es fleißig weiter geht. Wer sollte mir sonst die Tränen in die Augen treiben! 😉 Vor Lachen natürlich! So wie gerade schon wieder!!
LG
„Keene Haare uff’n Kopp, aba ‘n Kamm inne Tasche!“
*wegschmeiß* Ich mag den Knoder
Gerne gelesen und geschmunzelt.
Besonders schön: „Der Chef ist ein Onkel von mir.“ ;))
Besonders über „Ford jetta“ musste ich ein wenig schmunzeln 🙂
Fehlte noch, dass die ihre Kippen direkt an der Zapfsäule anzünden. 🙂
Aber bitte Fräulein Krise – solltest du mich überängstliches Geschöpf mal beobachten dürfen – nicht laut los lachen, nur weil ich die Zapfsäule, den Getränkeautomaten, den Schokoriegel oder die nächste Laterne genauso kritisch beäuge wie eine geladene Waffe, giftige Schlange oder herabstürzendes U-Boot. 😀
Klasse!
solche Situationen sind ja Geschenke des Lebens – den coolen Jungs mal zeigen, wo der Hammer hängt…… oh die haben sich so schnell davon nicht erholt und Sie stehen auf einem Podest…… Davon erzählen die noch ihren Enkelkindern.
Hehe was für ein witziger Blog, freu mich schon drauf, mich weiter einzulesen. Hab dabei immer meine Mutter im Hinterkopf, die (mittlerweile pensionierte) Lehrerin ist 🙂 LG
haha, was für eine Geschichte!
ich liebe es auch Leute zu beobachten.