Jasmin guckt mich interessiert an und Mahtab neben ihr gähnt gelangweilt.
„Der kleine Test zeigt, dass deine Rechtschreibung relativ sicher ist, Jasmin!“ sage ich,
„ Nur mit der Grammatik und dem Leseverstehen hapert es. Da werden wir in diesem Schuljahr dran arbeiten. Hier bei der Aufgabe 4 hast dich übrigens verrechnet, da bekommst du vier statt zwei Punkten.“
Jasmin lächelt erfreut. Sie hat eine deutsche Mutter und spricht gut Deutsch, trotzdem hat sie noch viel aufzuarbeiten.
„ Warum hast DU deine Punkte denn gar nicht ausgerechnet?“ wende ich mich an Mahtab.
Mahtab zuckt genervt mit den Achseln.
„ Schade, dass du teilweise nicht einmal v e r s u ch t hast, die Aufgaben zu lösen,“ sage ich.
„Was kann kann ich dafür!“ sagt Mahtab schnippisch.
Ich höre wohl nicht gut! Die beiden Mädchen sind neu in der Klasse, sie kommen von einer benachbarten Hauptschule und wiederholen freiwillig die zehnte Klasse, weil sie ihren äußerst mickrigen Hauptschulabschluss verbessern wollen. Sie träumen von einem Realschulabschluss…
Herrn Fischer, unserer Chef, hat sie aufgenommen, weil er offensichtlich ganz geblendet war von dem good-will der beiden Grazien…
„ Den Stoff hattet ihr aber doch schon?“ frage ich und zeige auf eine der Übungen .
„Nein!“ behauptet Mahtab und Jasmin schüttelt den Kopf.
„Bei uns ist immer der Unterricht ausgefallen,“ beteuert sie.
„ Immer bestimmt nicht!“ sage ich.
„Ja, ich habe auch bisschen geschwänzt,“ gibt Jasmin zu, „ ich hatte falsche Freunde.“
„Wir hatten gar keinen richtigen Unterricht,“ bekräftigt Mahtab. „Außerdem waren unsere Lehrer echt voll Scheiße! Wenn sie einen nich leiden konnten, bekamen wir gleich schlechte Note! “
Ich seufze. Die alte Leier. Schuld sind die anderen. Wie oft hab ich das schon gehört.
„Mahtab“, sage ich, „ wenn du HIER was reißen willst, musst du aber anfangen zu arbeiten. Einfach einen neuen Anfang machen.“
„Ich habe heute einen schlechten Tag“, sagt Mahtab und dreht sich zu Aynur um. „ich kann mich nicht konzentrieren.“
„Das ist der dritte Schultag an deiner neuen Schule und die allererste Deutschstunde! Du musst JETZT loslegen!“
Mahtab rollt ihre dunklen Augen hin und her und sagt etwas auf Arabisch zu Aynur. Die lacht.
Die beiden neuen Jungen machen mir auch Sorgen. Beide sind durch die Realschulprüfung an unserer Schule gefallen und wollen es noch einmal probieren. Fatih ist schon fast achtzehn und ein netter Junge. Allerdings scheint er den Ernst der Lage noch nicht ganz verstanden zu haben. Er charmiert im Unterricht mit den Mädchen und plaudert mit den Jungen seiner Umgebung.
Im Test wird nach den Steigerungsstufen des Adjektivs gefragt.
„Das weiß ich nicht,“ sagt er.
„Steiger mal ‚gut‘!“ helfe ich ihm auf die Sprünge.
„Gut, besser, am besten“, sagt er.
„Na bitte!“ sage ich, „ Wie heißen denn die Bezeichnung für diese drei Stufen? Das sind lateinische Namen!“
Fatih guckt mich an: „Ich spreche nicht die lateinische Sprache!“ sagt er treuherzig.
Selim, der andere Schüler, wiederholt die Klasse auf ausdrücklichen Wunsch seines Vater. Er ist körperlich anwesend. Mehr nicht, jedenfalls bisher.
(Der fünfte Schüler ist nicht erschienen und inzwischen abgemeldet.)
Ich versuche optimistisch in die Zukunft zu sehen….
Ääää… Superlativ. Und die anderen beiden Bezeichnungen? Hab ich vergessen. Hat uns aber nie einer gesagt. Ehrlich. Es wurde nur von den Steigerungsformen gesprochen, aber nicht davon, wie die einzelnen Formen jetzt heißen. Vielleicht war das bei deinen neuen Schülern bisher genauso?
Ich finde das ja auch unwichtig.
Wurde aber leider letztes oder vorletztes Jahr in der zentralen Deutscharbeit zur Realschulprüfung abgefragt: Positiv, KompArativ und Superlativ
Komparativ (lat. comparare – vergleichen), soviel Zeit muss sein 🙂
upps…tippfehler
Klingelt nix bei mir. Ok, anderes Bundesland, gaaaanz andere Zeit und ohnehin andere Lehrpläne. Wer weiß, was die Schüler jetzt bei diesen Lehrern lernen.
Ich wollte noch anmerken, dass ich das Wort Superlativ auch nur von außerhalb der Schule kenne. Schlümm, sowas.
Hab ich noch nie gehört, das hatten wir nie, ich schwöre! War aber auch voll scheiße meine Deutschlehrer!
Nee, mal ehrlich, wie konnte ich Abi machen, ohne das je gelernt zu haben?
Diese Hin-und Herwellen, im Unterricht von Grammarik phasenweise mal deutsche, mal lateinische Begriffe zu vermitteln rufen täglich Generationenkonflikte hervor – wehe den Umgezogenen in andere (Bundes)Länder, die gerade auf der anderen Welle reiten.
Bei allem Mitgefühl mit Ihnen, frlkrise: die Neuen scheinen vielversprechend, aus Lesersicht.
Grammatik (argh…)
Kwaak, du brauchst nur nen anderen Lehrer, wenn du Pech hast.
Ja, der Komparativ…
Wir müssten eigene Lehrpläne und Prüfungen erstellen. Denn welche Relevanz hat diese lateinische Bezeichnung für einen Schüler, der … Frl. Krise, du sagst es ja selbst.
Naja. Eine harte erste Woche!
Ich habe noch drei Wochen Galgenfrist (freu mich dann aber auch).
„… Hier bei der Aufgabe 4 hast dich übrigens verrechnet, da bekommst du vier statt zwei Punkte.“
?
Vielleicht habe ich es nicht richtig verstanden, ich bin zur Zeit s.e.h.r erkältet (sehr dröhniger Kopf). Oder hat sich die Punkteskala umgedreht ?
Un das mit „Positiv, Kompa(?)rativ und Superlativ“ hatte ich auch nicht mehr drauf (ist aber auch schon sehr lange her) – kann es in der Sache wohl trotzdem noch. Da habe ich allerdings doch eine Frage: Wenn jemand „verschollen“ ist, wie lautet dann der Kompa(?)rativ und der Superlativ ? Und vor allem: Wie lautet der Infinitv ? Verschellen, verschallen oder wie ? Hilfe !!
Jasmin hatte sich zu ihren Ungunsten verrechnet.
Verschollen zu steigern ist genauso sinnig wie tot oder schwanger. No Infinitiv!
Und das einzigste ist auch sinnfrei. Was soll denn einziger als einzig sein?
Der Infinitiv von verschollen ist verschallen. Ernsthaft!
Seien Sie bedankt – bin eben ein wenig töffelig (und übel verschnupft).
gute Besserung!
@ die Schmith: solche Steigerungen kommen tagtäglich vor:
bei der „Elite“ unserer Wirtschaft: den Werbefuzzies 😦
Sie haben es wirklich nicht leicht.
Da sind meine erwachsenen Maenner und Frauen die sich oft wie kleine Kinder benehmen ja direkt noch lustig dagegen.
Find ich ja nu komisch, dass die neuen einfach die Schule wechseln, um den Realschulabschluss zu machen / machen zu wollen oder versuchen zu müssen. Wie auch immer.
Warum bleibt man nicht auf der gleichen Schule???
Auf der alten Schule ist es meist eher noch schlechter, weil man gleich wieder in den alten Trott verfällt. Insofern kann ein neuer Anfang besser sein…kann…
Mal sehen: „Aynur ist böse“. Frage: „Was ist ‚böse‘?“. Antwort: „Positiv“ . Hmm, sehr merkwürdig. ‚Komperativ‘ und ‚Superlativ‘ ist ja noch nachvollziehbar.
Na das fängt doch gut an 😉 Auf ein erfolgreiches Schuljahr und dass wir viel von deinen Schülern lesen dürfen (das hilft mir, das Schuldrama meiner Großen zu verdrängen 😉
LG
Nini
War das Zeugnis sooooo schlimm?
Och, sooo schlimm kann ein Zeugnis der 2. Klasse ja noch nicht sein, es ist mehr die Vorstellung, das Schultheater noch einige Jahr durchstehen zu müssen, totales Desinteresse des Schulkinds ist nicht wirklich hilfreich, auch nicht, wenn das rigoros seit dem 1. Schultag durchgehalten wir…
Also normalerweise finde ich die Wissenlücken der Schüler immer ziemlich erschreckend, aber dass er diese Begriffe nicht kennt, finde ich wirklich egal (und praktisch konnte er es ja lösen, können bestimtm auch nicht alle). Ich finde es fürchterlich, dass so etwas tatsächlich in den Endprüfungen abgefragt wird – Wer denkt sich das denn aus? Mir fiel übrigens auch nur noch Superlativ ein… und ich bin doch Akadämiker 😦
Und warum sprechen Mehtab und Aynur eigentlich arabisch miteinander? Ich dachte die Mädels in der Klasse sind alle türkisch. Hach, ist das verwirrend.
es sind auch 4 Schüler aus dem Libanon und Jordanien dazwischen….
Ich hab in Grammatik soundso noch die Deutschen Bezeichnungen gelernt. Da hab ich heute noch Schwierigkeiten, die richtige Lateinische Bezeichnung zu finden. Z.B ich gebe es zu, muss ich immer nachdenken bei Adverb und Adjektiv. Dabei sind Deutsche Bezeichungen so herrlich logisch, wie Dingwort, Tätigkeits(Tu-)wort, Eigenschaftswort…
Jetzt hätte ich gerne den „Agreeknopp“, dens bei Ravelry gibt.
dabei könnne wir froh sein, dass man diese Begriffe nicht auch – dem „Zeitgeist“ folgend – in Anglizismen darstellt 😉
Liest sich ehrlich gesagt ganz schön deprimierend…
Zum Thema grammatikalische Begriffe: Ich finde solche Begrifflichkeiten schon wichtig. Wie soll man sonst „Dinge“ bezeichnen. Ich kenne die Prüfungen nicht. Aber wenn nach dem Komparativ eines Adjektivs gefragt wird, hat der Schüler ein Problem, wenn er nicht weiß was ein Komparativ ist. Dazu muss nicht einmal gezielt nachgefragt werden, wie die Steigerungsstufen heißen, sondern nur nach bestimmten Stufen eines Adjektivs gefragt werden.
Das Schüler mit ausländischen Wurzeln mehr Probleme in der Sprache haben kann ich mir vorstellen. Ich wuchs mit meiner polnischen Mutter auf und ich war früher in der Grammatik und Rechtschreibung nicht so gut, da meine Mutter eben nicht perfekt Deutsch spricht, obwohl sie sich sonst gut ausdrücken konnte.
Der körperlich anwesende Schüler sollte nicht für sein Vater da sein, sondern weil er was erreichen will. Das muss vom Herzen kommen. Vermute, dass er nicht das erreicht, was sein Vater sich wünscht.
„Positiv“ heißt übrigens einfach „das Gegebene“. – Vallah, aber voll ungerecht, muss man jetzt noch lateinische Sprache lernen!
Zur Ehrenrettung: Ich hätte auch nur den Superlativ nennen können. Dabei habe ich sogar mein Latinum. (So ein Käse, das man das benennen können muss. Viel wichtiger ist doch, ob man es sprachlich richtig anwendet. ;))