Das Leben ist eine Baustelle..

„Warum ist es nicht IMMER soooo schön?“ Nesrin seufzt, legt den Pinsel hin und guckt mich treuherzig an.
„Tscha…“ sage ich, „es könnte vielleicht immer so schön sein, wenn…“
„Jaja! Ich weiß schon!“ Nesrin runzelt die Stirn. „Sie meinen, wenn wir immer voll lieb sind und voll arbeiten und blablabla..“
„Isdochso!“ sagt Emre.
„Und wenn wir gechilltere Lehrer hätten!“ brummelt Fuat.
„Ach, ich bin dir wohl nicht gechillt genug? “ frage ich spitz.
In DER Beziehung bin ich reiner Autodidakt – das muss ich zugeben! MIR hat in der Ausbildung keiner das Chillen beigebracht! Das Wort gabs noch nicht mal!
Nesrin sagt: “ Lass ma! Frl. Krise ist schon ziemlich geschillt. Aber wissen Sie, warum es sooo schön ist…wegen was anderes, nich Schule…! “
„Hm, keine Ahnung…“sage ich unkonzentriert, denn ich habe gerade entdeckt , dass ich mir weiße Farbe aufs T-Shirt geschmiert habe. Das geht nicht mehr raus. Toll!
„Kriegt man eigentlich diesen Sender in Libanon? Wir gehen doch Libanon!“ fragt Aynur.(Wir hören Musik von irgendeinem Regionalsender.)
„Niemals!“ Musti fängt an das Radio im Internet zu erklären, aber keiner hört zu.
„Vallah, voll schade, ich l i e b e diesen Sender! Da ist voll viel Farbe auf ihr T-Shirt, Frl. Krise. Sie sagen doch immer selbst: Kittel anziehen..!“
„Ich bin voll v e r l i e b t in mein Bild! Gucken Sie mal, Frl. Krise!! Das ist voll übertrieben schön!“ Nesrin hält mir ihre Malpappe für zwei Sekunden unter die Nase und trällert: „Also, wissen Sie, warum es sooo schön ist? Weil, das Wetter ist voll gut und wir haben bald Ferien und wir gehen dies Jahr nicht Türkei und …und …und…!“
„Ist es vielleicht wegen diesem „undundund “ voll schön?“ frage ich und gucke vorsichthalber etwas dümmlich. Es liegt ja auf der Hand, was sie meint!
Nesrin nickt und grinst. Die anderen kichern.
„Hm…lass mich überlegen…du bist verliebt!“
Nesrin lacht verlegen und nickt und sagt : „Hayir..äh.. janein!“
„Stimmt also!“ stelle ich fest.
„Sie haben da so Farbe am T-Shirt!“ versucht Nesrin abzulenken.
„Du aber auch!“ sage ich und das ist nicht gelogen. Auf Nesrins weißem Hemd prangt an strategisch sehr ungünstiger Stelle ein dicker sonnenblumengelber Fleck.
Hätte ich das mal lieber nicht gesagt….
Nesrin fährt mit einem Schrei hoch und stürzt zum Waschbecken. „Haben sie sauberen Schwamm, haben sie Waschmittel?„ schreit sie und reibt schon wie eine Wilde mit einem ollen Uraltschwämmchen und Wasser auf dem Fleck herum. Der vergrößert sich zusehens…
Acrylfarbe – Null Chance!
Um guten Willen zu demonstrieren hole ich ein sauberes Tuch und den Salmiakreiniger, den ich sonst nur zum Tischescheuern rausrücke.
„Ist doch nicht so schlimm,“ sage ich, „da machst du einfach das Jäckchen zu!“
„Was Jäckchen! Krieg ich das vielleicht nicht zu???! “ schreit Nesrin und grabscht sich den Flüssigreiniger.Stimmt, jetzt seh ich’s auch, das rote Jäckchen dient mehr dekorativen Zwecken.
„Ich treff mich doch nachher mit mein FREUND! Vallah, der holt mich ab!“ jammert sie.
„Na ja,“ versuche ich sie zu beschwichtigen, „der Fleck wird den schon nicht stören. Jungen sehen doch so was gar nicht!“
Allerdings an dieser Stelle….ich habe da so meine Zweifel….
Nesrins gute Laune ist verflogen, das Hemdchen ist hin, die große Liebe zerstört, ach, das Leben ist ein einziger Betrug….
„Kenn ich den?“ frage ich, um sie abzulenken.
„Nein, der geht andere Schule, Gymnasium, Else Laske- Schüler!“ muffelt Nesrin.
„Hallo! Gymnasium!“ sage ich
„Ja, der ist voll schlau!“ sagt Nesrin mürrisch.
Sie grübelt vor sich hin.
„Immer wenn es schön ist, passiert was!“ sagt sie Ton einer griechischen Heldin.
„Na, solange es nix Schlimmeres ist!“ sage ich und Aynur ruft: „Frl Krise, Frl.Krise, sie kann doch in der Mittagspause nach Hause gehen, anderes Oberteil holen. Sie wohnt doch gleich um die Ecke!!“
„Soweit kommts noch!“ sage ich. In der letzten Gesamtkonferenz habe ich mich erst darüber ausgelassen, dass so viele Schüler während der Mittagspause das Schulgelände verlassen dürfen…unmöglich! Wie soll man da noch vernünftig Aufsicht machen!
„Nix da! Das kann ich nicht erlauben!“ sage ich fest.

Ich will es kurz machen, ich muss gleich los zum Lehrergrillen:

Nach der Mittagspause sagte Kollegin Schneider zu mir: “ Frl. Krise, ich will dir nur mal sagen, DEINE Nesrin war draußen in der Mittagspause!“
„Ich weiß, ich habe es ihr gestattet, ausnahmsweise, “ sagte ich betont beiläufig.

„Ja, aber doch nicht wegen einem T-Shirt!“ Frau Schneider schüttelt missbilligend den Kopf. „DU hast doch erst in der letzten Gesamtkonferenz…“

„T-Shirt? Was T-Shirt?! Liebe Kollegin, es ging um ihr Lebensglück, mashallah“!

Frau Schneider hat auch schon mal intelligenter geguckt…..

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35 Antworten zu Das Leben ist eine Baustelle..

  1. dasrotkaeppchen schreibt:

    Ich hoffe, wenigstens der Fleck auf Ihrem Shirt fiel nicht so auf, Frl. Krise … und auch wenn man auf der einen Seite zusammen mit Kollegin Schneider Konsequenz anmahnen könnte, finde ich doch diese Variante auch sehr konsequent, in erster Linie wenn ich mir auch überlege, dass vom Freund abgeholt werden und dann unter Erklärungen heim zu müssen, um dort (allein, Freund wartet, gehe ich mal von aus) ein neues Shirt zu holen …

    Ich glaub, gerade was konsequente und auch wirklich durchgezogene Ansagen angeht, ist die Position zwischen Schülern, Lehrerkollegen und eigenem Anspruch sicherlich eine herausfordernde.

  2. Pueppiline schreibt:

    In so einem Fall muss man doch eine Ausnahme machen. Wer möchte schon mit dreckigem Shirt zu einem Date? Und so mancher Mann sieht mehr als Frau ahnt…

  3. Also Nesrin ist ja mal mindestens Heldin im sinne des griechischen Dramas. Oder Kabale und Liebe, aber mindestens (auch wenn das bei ihr hoffentlich ein besseres Ende hat). Hat die T-shirt Aktion denn wenigstens das Lebensglück erhalten?

    Und war das Bild wirklich übertrieben schön?

  4. krizzydings schreibt:

    na dann wollen wir mal hoffen, dass es beim liebesglück bleibt…sie aber nichtgleichdenkt sie könne jazu hause bleiben 😉 nur weil er „voll schau“ und „gymnasium“ ist 😉

  5. fraufreitag schreibt:

    frl krise – retterin der liebe. so soll#s sein und dann noch die lehrer gegrillt. ich bin stolz auf dich. bei meiner gepflegtn raushalterei kann man nicht solche erfolge verbuchen.

  6. Olaf schreibt:

    Hey hey – ein Elke Lasker-Schüler-Schüler. Dem hätte Nesrin ihr coloriertes Hemd bestimmt als „Designerhemd“ verkaufen können (was ist denn eine „strategisch sehr ungünstige Stelle“ ?).
    Und hat Kollegin Schneider das wirklich so gesagt ?: „‚Ja, aber doch nicht wegen einem T-Shirt !‘ Frau Schneider schüttelt missbilligend den Kopf.“
    War da nicht der M-m-mh dem M-m-mh sein Tod ?
    Und Sie müssen unbedingt vom Grillen erzählen – hoffentlich war es schön. 😉

  7. RogueEconomist schreibt:

    Man muss eben Prioritäten setzen!

  8. Sandy schreibt:

    „ich muss gleich los zum Lehrergrillen“
    Gegrillte Lehrer, muss ich auch mal probieren 😉

  9. mithrandir schreibt:

    Acrylfarbe müsste mit Aceton raus gehen. Zumindest wenn sie noch frisch ist.
    OK, vllt. ist das Shirt hinterher im Eimer, aber das wäre es ja so oder so.

  10. sockenbergen schreibt:

    So, so, einfach Ausnahmen machen.‘
    Und wie Ihre Schüler dürfen während ihrer Schulzeit das Schulgelände verlassen. Sind das Zeiten heute?.

    • krizzydings schreibt:

      naja mittagspause…ich finde das darf dann als ausnahme mal sein, wenns nicht ausartet (in der 10ten zB) wir durften immer in der mittags pause nach hause…wobei moment was rede ich…gibt dann danicht schulleiterchen die einem was von versicherung erzählen wenn man erwischt wird sowas schülernzu erlauben??

  11. zucchinikuchenfreundin schreibt:

    Acrylfarbe soll ja anscheinend mit Backpulver raus gehen. Ausprobiert hab ich das selbst noch nicht, meinte nur neulich eine Mitschülerin im Chemieunterricht 🙂

  12. Sherley Holmes schreibt:

    Else Lasker-Schüler…. Gymnasium…. Wuppertal?! Vorsicht Fräulein Krise! *g*

  13. renosch schreibt:

    (weiterzugeben an Aynur)

    Hey Aynur!

    Schau mal auf radio.de. Dort findet man etliche Sender, die man über das Internet hören kann. Vielleicht auch deinen lokalen.

    Gruß,
    renosch

  14. banalesundbonbons schreibt:

    Sie sind schlau, Sie kümmern sich darum, dass sie auch in 15 Jahren noch unterrichten können! Sehr gut durchdacht 🙂

    (Ich finde Ihren Blog übrigens ganz wunderbar. Interessant und lustig zugleich ist, dass Sie von (fast) allen gesiezt werden. Ja, auch von mir, Fräulein Krise.)

  15. ahornproduction schreibt:

    =D Och wie süß, wollen wir hoffen, dass der Gymnasiast sie wieder auf die richtigen Wege bringt.

  16. manuel b schreibt:

    grossartig. du solltest ein buch schreiben! sehr lesenswert! 🙂

  17. Miss Meyer schreibt:

    Hallo,
    na da kann ich auch noch was beisteuern…
    Einer Schülerin war auf dem Schulweg ihre Hose zerrissen. Direkt überm A… äh Hintern. Die ganze Projektwoche hatte sie da schon ein (gewolltes!) Supersexyhexy-Loch. Dummer Weise breitete es sich also heute früh aus. Und nein, die wollte nicht Heim, sondern Nähzeug! Über welch unglaubliches handwerkliches Geschick muss sie verfügen, das noch retten zu können, war mein Gedanke. Da Nähzeug in meinem Kosmetikprojekt leider abkömmlich war, durfte ich kreativ sein: Aus dem alten, blaugeblümten Bettzeug der Schwiegermutter habe ich ihr einen Wickelmini gebastelt. Eigentlich war das Stöffchen für die Anwendung der Halawa (Enthaarung) (ihr erinnert euch) gedacht.
    Ick war stolz wie Bolle, Prenzlauer Berg-Schick selbajemacht in 3 Minuten! (So laufen die Muttis außerhalb der Schule alle rum: Jeans mit Mini ist immanoch hip!)
    Schülerin fands nich ganz sooo toll, weil weniger sexy und hat die ganze Zeit an ihrem Röckchen rumgefummelt, aber sie hats er- / getragen…
    Mein Kreativ-Vorschlag daher bei so Flecken: Einfach noch mehr draufspritzen, dass es gewollt aussieht und schnell in einen hippen Stadtteil wechseln! : o)
    Viele Grüße
    Missi

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