„Was kann ich dafür?“ Charles guckt mich wild an. Auf seinem Tisch liegt ein Riesenstoß loser Zettel. Er kann kaum drüber gucken.
Dass er in diesem Haufen das Regelblatt mit den Zeiten, das er herausnehmen soll, noch heute findet, erscheint absolut ausgeschlossen….
Ich stochere unmutig in den Blättern herum. Mathe, Chemie , Bio, Erdkunde, Musik….alles vertreten. Die Papiere sind verkleckst, verknittert, eingerissen und vor allem völlig UNSORTIERT.
Die Blätter eines Schuljahres, schätze ich…wahrscheinlich der letzten zwei Schuljahre…wenn’s langt!
„Das ist doch nicht der Inhalt von EINEM Ordner! Das ist eine private Müllkippe!“
„Was kann ich dafür!? Das ist Herr Schmied schuld, ich schwör!“ Charles zuckt mit den Schultern und gibt den Blättern, die inzwischen schon zu Boden segeln, einen Schubs mit seinen Füßen.
„Er hat mein Ordner SO genommen in Bio“, er greift den Ordner am Rücken und schüttelt ihn feste, “ da ist alles rausgefallen! Voll gemein!“
„Vallah! Der ganze Klassenraum lag voll“, bestätigt Sophie, „ war echt voll totengemein von Herr Schmied!“ Die anderen brummeln zustimmend, halten sich aber vorsichtshalber zurück, denn von den zwölf Schülern haben mindestens sechs das bewusste Arbeitsblatt nicht dabei….
„Geschieht dir ganz recht,“ sage ich herzlos, „wie oft hab ich dir schon gesagt, du sollst endlich den ganzen Mist abheften!“
Aha, mal wieder der Schmidtsche Ordnerüberprüfungsgriff, denke ich. Wer den erst mal ein, zweimal hinter sich hat, der fängt an abzuheften oder der ist ganz verstockt!
„Was wollen Sie,“ schreit Charles, „ich wollte es ja GERADE alles abheften, morgen in der Klassenstunde.!“
„Das kannst du dann ja noch immer machen!“ empfehle ich kühl und wende mich dem nächsten Kandidaten zu.
„Und was ist mit dir, Erol? Wo ist dein Blatt?“
„Habs nicht“, nuschelt Erol.
„Was soll das heißen, habs nicht?“ Ich fange so langsam an, mich echt aufzuregen. Glaubt man’s? Diese Acht, Frau Saums Klasse, ist die beste Deutschklasse, die momentan habe!
Hatte, muss ich wohl jetzt eher sagen, denn die haben in letzter Zeit mächtig abgebaut.
Sie haben auf einmal alle Pubertät, aber leider nicht die harmlose , sondern mehr eine maligne Sorte, die kaum auf therpeutische Maßnahmen anspricht und einen langfristigen Verlauf verheißt…
Wozu sitze ich eigentlich nächtens oder am Wochenende vor dem Computer und verbringe frohe Stunden beim Entwerfen von Arbeitsblättern, wenn die doch nicht benutzt werden? denke ich und ärgere mich.
„Also, Erol, wo ist das Arbeitsblatt? Wie willst du halbwegs selbständig arbeiten, wenn du deinen Kram nicht dabei hast?“
„Zu Hause!“ sagt Erol und legt sich bequem auf seinem Tisch ab. „regen Sie sich ab, ich habs zu Hause!“
Dann begeht er einen großen Fehler: „ Voll warm,“ sagt er und gähnt, „Frl. Krise, lass ma Hof gehen!“
„Das ist ja wohl die Höhe!“ rufe ich, „ Ich glaube, es knallt! Seine Arbeitssachen vergessen und dann noch zur Belohnung auf den Hof gehen wollen!“
„ Was wollen Sie? Die anderen haben ihr Blatt auch nicht dabei.“ Erol fühlt sich auf der sicheren Seite.
„Ok,“ sage ich fies und gemein, „du gehst jetzt sofort nach Hause und holst dein Blatt, dann kannst du wenigstens in der nächsten Stunde mitmachen, schließlich haben wir eine Doppelstunde!“
Mit einem Ruck fliegt Erols Kopf in die Höhe. „Niemals!“ schreit er.
„Doch!“ sage ich. „Du gehst! Und zwar sofort! Wo wohnst du?“
„Voll weit weg, in der Hirtenstraße!“
„Dann kannst bequem in einer halben Stunde zurück sein!“ sagt Frau Saum, die gerade reingekommen ist. Sie will etwas holen, das sie vergessen hat.
Erol wehrt sich mit Händen und Füßen und schon nach ein paar Minuten wird auch klar warum. Seine Deutschmappe liegt nämlich, so gesteht er zähneknirschend Frau Saum, die ihn auf den Flur entführte, in seinem Fach. Mit dem bewussten Arbeitsblatt, versteht sich…
„“Ich fass es nicht!“ sage ich matt.
Sind die jetzt alle völlig neben der Spur? Macht das der Spätfrühling oder die frühe Sommersonne? Ist das Hormonumstellung, banale Faulheit oder gezielte Provokation? Vielleicht ist die langanhaltende Trockenheit schuld oder sinds die Pollen in der Luft? Die Auswirkungen von Fukushima oder meiner schlechten Laune? Obwohl, die war eigentlich bis eben ganz ok.!
Niemand wird es je ergründen.
„Na, dann wollen wir jetzt aber mal mal!“ sage ich und reiße mich zusammen. „Lies du mal vor, Sina!“
Vor Sinchen liegt doch das Blatt, das meine ich genau zu sehen.
„Äh, Frl. Krise…. das Blatt… das …ähm….find ich nicht mehr!“
Man kann übrigens auch sehr schönen Unterricht ohne Arbeitsblätter machen, das habe ich heute mal wieder bewiesen.
Arbeitsblätter….pah! Völlig überschätzt!
Zum Thema Arbeitsblätter fällt mir hier ein feines Denglisch-Zitat einer meiner Schüler ein (und ich gebe zu, dass ich nur auf einen annähernd passenden Moment gewartet habe, um es mal irgendwo zu schreiben) : „Who distributes must also be able to plug in.“ Hach, was hab ich gelacht 🙂 Die erstbeste Übersetzung im Wörterbuch passt halt nicht wirklich immer.
I believe I spider.
That is really under all pig.
Falls Sie Denglisch auch so amüsiert wie es bei mir der Fall ist, empfehle ich Ihnen Guido Westerwave.
http://twitter.com/#!/westerwave
http://dft.ba/-westerwave
Falls Sie das schon kennen sollten, kommt vor 😉
„Für Sie hab ich kein Blatt dabei, EDVler, woher sollte ich denn wissen, das Sie heute ausnahmsweise mal am Unterricht teilnehmen?“ (O-Ton meine English LK Lehrerin).
Gute Frau!
das klingt ja fast wie: „Ich habe heute leider kein Foto für dich.“
Hihihihi ………
Arbeitsblätter? Bei uns gabs immer nur stumpfes von der Tafel abgekritzel, ich hätt alles dafür gegeben ein tolles Arbeitsblatt zu bekommen und dabei bin ich „erst“ 10 Jahre aus der Schule raus…
In meiner Arbeit bekomm ich auch keine Arbeitsblätter, nur -anweisungen 😉
*gröhl* erwischt!
Es hat wohl einen Grund, warum bei uns die Lehrer prinzipiell alle Zettel doppelt kopieren und nochmals mitnehmen. *gg* Trägt zwar nicht zu „bravem Arbeitsblätter mitbringen“ bei, aber zumindest kann man da halbwegs sinnvollen Unterricht machen.
Aber es scheint generell so, als ob wir uns am Gymnasium ziemlich viel erlauben dürften. Wir schimpfen zwar nicht pausenlos rum, aber in Schule schwänzen und keine Hausaufgaben machen sind wir mindestens so gut wie deine Schüler. 😉
Dem letzten Satz stimme ich voll und ganz zu.
Ich bin kein Fan von Arbeitsblättern, sobald es sich jedoch um eine Zusammenfassung des letzten Themas handelt bin ich sofort dafür zu haben. Allerdings zieht sich das Phänomen der nicht eingehefteten Blätter durch fast alle Schulformen, zumindest lassen meine Erfahrungen als Schüler darauf schließen.
Um aber auf das eigentliche Thema dieses Kommentars zurück zukommen; Ich bin kein Fan von Arbeitsblättern, weil die, die ich bekam (meist in Englisch und Deutsch) absolut unverschämt billig waren. Und dann sind die auch immer noch so süß verziert. JESUS! Ich brauche nun wirklich kein MS-Word-Style Buch-layout für Shakespeare’s Sonetts.
Nichtsdestotrotz erfüllen sie ja anscheinend doch ihren Zweck, denn ich weiß nun was mit Shakespeare’s Sonetts anzufangen 😉
Das passt perfekt in das was ich so still und leise fuer mich als SonderVollmondt bezeichne……
Arbeitsblätter – gibet nicht. Selten bekamen wireins, eher durften wir Aufgaben von der Tafel abschreiben – damals vor gefühlten hundert Jahren.
Gibt es eigentlich noch Bücher???
„sondern mehr eine maligne Sorte“: das ist einfach zu gut! *g*
Och…. mit den Arbeitsblättern hätteste auch einfach eines nehmen können und einen Schüler zum nächstenKopierer jagen…………. oder gibt es heute in Schulen keine „öffentlichen“ Kopierer mehr?! 😯
Also ich mochte Arbeitsblätter immer ganz gerne, auch wenn ich zugegebenermaßen es mit dem Abheften auch nicht so hatte 😳
klar! dann braucht ja KEINER mehr was abheften, sondern ich kopiere nur noch auf Teufel komm raus. kost ja nischt!
Hm. Was wäre denn, wenn alle, die das Arbeitsblatt vergessen, den Inhalt stichpunktartig vom Nachbarn oder der Tafel oder vom Polylux nochmal abschreiben müssten?
Flopp oder erzieherische Massnahme?
FLOPP! Du glaubst doch nicht, dass das störungsfrei verlauft! Da muss man viel zu eng sitzen!
*lach* Vermutlich war es bei uns dann doch eher wirklich „versehen“ wenn mal einer sein Arbeitsblatt nicht mit hatte. Manchmal frag ich mich ja, ob sich in den 22 Jahren so wahnsinnig viel verändert haben kann, aber wenn ich dann hier und bei Frau Freitag lese oder allein schon Nachrichten schaue………. Hmm, ja, doch……..
Seit meinen ersten Lehrerjahren bevorzuge ich Arbeitshefte in gebundener Form – soweit vorhanden. Die „Krankheiten“ Arbeitsblätteritis oder Kopiereritis nehmen unter den Kollegen manchmal erschreckende Formen an. Da wird auf Teufel-komm-raus kopiert, was das Zeug hält – aber den Inhalt nicht wert ist (Beispiel Mandalas…).
Andererseits sitzt man – wie von Frl Krise richtig beschrieben – stundenlang am PC und erarbeitet ein Blatt, um Unterrichtsergebnisse überprüfen zu können. Und dann fliegen die Blätter in der Klasse herum – obwohl sie vorgelocht zu den Schülern gelangten.
Das Abheften scheint eine der größten und „hässlichsten“ Herausforderungen für Schüler zu sein…
Mandalas *umkipp*
Ich habe die gefühlt die ganze 1. Klasse meiner Tochter damit verbracht diese doofen Mandalas auszumalen…
Richtig angewand sind Mandals toll. Es fördert die Kreativität.
Aber dann darf man nicht nur austeilen und ausmalen lassen.
Aber etwas mehr Erklärungen dazu erfordern ja vorherige Recherche und die ist für Lehrkörper ja nicht immer von Nöten anscheinend. Leider.
Es soll aber auch engagierte geben, die sich Arbeitsblätter noch selbst erstellen und nicht die gleichen nehmen wie schon zu Anfang ihrer 30jährigen Dienstzeit und auch „neue“ Aspekte recherchieren und mit den Schülern erarbeiten.
Gibts heute eigentlich noch die Matrizendruckerteile (auch Hektographiedinger genannt)? Die rochen immer so guuuut..
Nur noch im Museum!
Sprich: Fachschaftsraum Erdkunde?
Dann ist meine in Schule in Wahrheit also ein Museum? Habe ich mir fast schon gedacht….;)
Ich kann nicht glauben, dass es sowas noch gibt. Mit so blauen Matrizen?
Genau; und wird sogar noch benutzt…
Darf ich mal vorbeikommen und an den Kopien riechen? 🙂
…..ja, ja, die gute alte Schulzeit….ich habe mir die Finger wund geschrieben….auf meiner kleinen Tafel…..und da waren sie eh schon so kaputt, nachdem ich meinen Holzscheit 6 Kilometer geschleppt habe für den Schulofen….
Ja…und auf Pappsohlen durch den Schnee gelaufen…wir hatten ja NICHTS!
Pappsohlen wurden aber bestimmt erst bei -20° umgeschnallt, alles andere wäre ja Verschwendung.
In der Grundschule hatten wir oft Arbeitsblätter, aber da hatte ich das Gefühl, dass die Lehrer nur zu faul sind, uns richtig zu unterrichten, denn wir haben sie fast immer in Stillarbeit ausfüllen müssen
In der Oberschule mussten wir dafür im Rekordtempo unleserliches Gekrakel von der Tafel abschreiben und gleichzeitig zuhören. Da hätte ich mir in manchen Fächern zumindest mal ne Zusammenfassung gewünscht.
Mit so einer Ordnerordnung bin ich durch’s Studium gekommen (Zumindest was die Sortierung angeht). Was möglicherweise daran lag, dass meine Notizen wenig aussagekräftig waren und ich letztendlich doch eher mit Lehrbüchern und Onlinematerialien gelernt habe
Jetzt brauche ich als gestresste Mutter mal einen Rat von einer Fachkraft.
Wie gehe ich mit einem knapp 12-jährigem Jungen um, der selbstständig entscheidet, sein Klassenlehrer bräuchte keine Entschuldigung (Er hat ja nicht danach gefragt) und besagte Entschuldigung vernichtet?
Meine Lösung: Er schreibt am Wochenende einen Brief mit der Überschrift „2.Entschuldigung“ und ich unterschreibe diese. Haben Sie bei Ihrem großen Erfahrungsschatz vielleicht eine bessere Idee?
Nee, ich finde die Idee sehr gut! Schreiben Sie noch auf die Rückseite den Sachverhalt!
Da mein Sohn ein „alt-ehrwürdiges“ Gymnasium besucht, habe ich auf eine Erklärung vorsichtshalber verzichtet. Sie wissen doch: Dort kommen solche Geschichten nicht vor:-):-):-)