Gestern habe ich mich schwer darum bemüht, jedem Lebewesen unter Zwanzig aus dem Weg zu gehen. Ganz gelungen ist mir das nicht…..
Ich musste ein paar Stunden mit der Bahn fahren und hatte zum Glück keine Reservierung. Sonst wäre ich womöglich wieder dazu verdonnert gewesen, fest zwischen jungen Eltern zu sitzen, die davon überzeugt sind, dass jeder andere Mensch genau begeistert von ihren Leibesfrüchten ist, wie sie selbst.
Irgendwie verstehe ich das ja sogar…. ehrlich gesagt, war ich auch mal so, damals, als meine Kinder noch klein waren.
Aber jetzt muss ich sowas nicht mehr unbedingt haben ( im Oktober irgendwo im Ruhrgebiet):
Ich zu Kind: „Aua!!! Passt du bitte mal auf, dass du mir nicht so doll gegen das Bein trittst?!“
Mutter zu mir: „ Ja, haha, die Kleine ist sehr lebhaft!“
Mutter zu Kind: „Mathilda, setz dich vielleicht lieber da rüber, die Dame mag das nicht!“
Mathilda: „NÄÄÄ! Die ist doooooof, diiiiiie!“
Mutter leise zu Kind: „Na ja, die….die kennt sich vielleicht nicht so mit Kindern aus. “
Ich: „Umpf!“
Mit ohne Reservierung bin ich also gleich zielstrebig zum letzten Wagen des ICEs gesprintet, wo es fast immer noch freie Plätze gibt und normalerweise wenig Kinder – und so war es dann auch fast.
Immerhin befanden sich vier Jungen und ein Mädchen im Grundschulalter in diesem Großraumteil. Die haben sich aber wirklich vorbildlich verhalten haben: Stundenlang in einen Rechner gestarrt (Horrorfilm – vielleicht war es auch bloß Harry Potter) beziehungsweise ein relativ leise eingestelltes Ballerspiel gespielt. Das Mädchen hat die ganze Zeit an ihrem Händy rumgenestelt oder halblaut telefoniert.
Rundherum gute, erfolgreiche Erziehung.
Mittags wurde ich schrecklich müde und saß schon mit wackelndem Kopf da, aber ich wollte auf gar keinen Fall einschlafen.
Erstens habe ich immer Angst, dass ich dann schnarche (‚Frl.Krise, du hörst dich an wie ein Sägewerk!’ hat ein Kollege mal im Zug zu mir gesagt und das war ein traumatisches Erlebnis für mich. Und zweitens befürchte ich, dass mir beim Schlafen der Unterkiefer runterklappen könnte und ich dann aussehe wie frisch dahingeschieden. Eine meiner Töchter und ich haben mal zwischen Köln und Hagen eine Frau beobachtet, die so schlief…….schönen Dank auch!
Zum Glück musste ich in Köln in einen Regionalzug umsteigen. Mir gegenüber saß ein „Oppa“ (Mitte 60, kräftig, offenes Jeanshemd mit grauem Brustfell, Käppi auf den grauen Locken) und sein etwa fünfjähriger Enkel.
Oppa trinkt ein Fläschchen Bier.
Enkel sagt missbilligend:
„Oppa, du sollst nich Bierchen trinken. Die Mama hett jesacht, du darfst dat nit! Du haset dä Mama versprochen!“
Oppa nimmt seelenruhig ein Schlückchen und sagt: „Jung, dat isset letzte! Janz bestimmt!“
Der Enkel guckt aus dem Fenster:
„Oppa, kütt jetzt Stolberg?“
„Nä, Jung, jetzt kütt doch ers Horrem!“
„Aber dann, Oppa, dann sin wer in Stolberg!“
„Nä, Jung, dann kütt ers noch Düren und dann kütt Langerwehe und dann Eschweiler und dann kütt erst Stolberg“.
„Und wat kütt noch mal jetzt, Oppa?“
Oppa ist schon ein bisschen genervt, rollt die Augen, benutzt die Gelegenheit mir zuzuzwinkern und sich unauffällig ein noch ein Fläschen Bier aus dem Rucksack zu nehmen.
“Nä Oppa!!!!“ Enkel ist empört. „Du haset dä Mama versprochen!“
„Jung,“ sagt dä Oppa jemütlich. „Jung, weißte wat? Jetzt hälste dir ma die Händschen vor die Äugsken und dann siehste datt janich!“
Vielleicht ist das die ultimative pädagogische Lösung:
Vielleicht sollte ich mir in der Schule in prekären Situationen einfach auch mal die Händchen vor die Äugsken halten…..
nachdem ich sowohl Kinder als auch Hunde habe, wage ich die These niederzuschreiben, daß es meiner Beobachtung zufolge Eltern gibt, die ihre Kinder mit einer ganz ähnlich provokanten Haltung auf ihre Mitmenschen loslassen wie manche Hundebesitzer ihre animalischen Ego-Erweiterungen.
Für einen selbst ist das sicher die beste Lösung! Viele Mütter sollten das gerade auf Spielplätzen auch einfach mal machen…
Aber da Ihre Schutzbefohlenen nicht mehr klein und niedlich und anhänglich und unverdorben sind… Denken Sie an das Nudelholz! Vielleicht sollten Sie die Kunstkollegin mal nach der praktischen Umsetzung des Augenzuhalten-Konzepts fragen 😉
Wow, Frl. Krise: Mit der Erwähnung der Regionalstrecke Köln-Aachen haben Sie mir ganz aber einen gewaltigen Heimwehschub verpasst. 😉 Jahrelang begann jede Tournee in noch so entfernte Länder mit einer pittoresken Zugfahrt von Jülich (Rurtalbahn) über Düren nach Köln. In die andere Richtung bin ich nur selten gefahren, weil man Aachen ganz gut mit dem Fahrrad erreichen konnte. Wenn, dann habe ich mich aber jedesmal über die Zugansage gefreut, die beim Erreichen des Bahnhofs Stolberg nicht vergaß zu erwähnen, dass es sich um „Stolberg (Rheinland)“ handelte. Zwar war den meisten Fahrgästen bewusst, dass sie nicht in Sachsen unterwegs waren – aber sicher ist sicher…
SCHÖNE FERIEN – sie haben es sich verdient!
Ich fahre ja sonst eher die andere Strecke über MönchenGladbach-Erkelenz -Geilenkirchen usw. Richtung Aachen und nicht über „Stolbersch“, wie Oppa eigentlich sagte….und ich freue mich immer im Zug halbtot, wie die alle spreschen, dabei bin isch auch nicht viel besser, fürschte isch.
dann sind sie in langerwehe, ganz nah an mir vorbei gefahren fr. krise. 🙂
so isses!
Das erinnert mich an eine Urlaubs-Heimfahrt, in der eine Mutter-Kind-Kur-Mutter mit ihren Sprösslingen mein bisher wunderbar ruhiges Abteil heimsuchte. Erst versuchte Sören ganz bewusst, mich gegen das Schienbein zu treten (mit Erfolg…). Dann, als Mama dies erkannt und unterbunden hatte, fing Kilian an, mich mit kleinen Polizeiautos zu bewerfen. Da half nur noch Flucht.
Wenn Sie an Köln und Hagen vorbeifahren, kommen Sie ja quasi an mir vorbei, Frl. Krise. Faszinierend 😉
Die Krise ist überall!
Erinnert mich an Sechsklässler vs. Oberstüfler. Die nervten, wussten aber, dass man sie nicht hauen darf, weil dass dann unverhältnismäßig ist.
Aber vielleicht sollte man Sören doch eine Vorstellungs davon verschaffen, was es bedeutet, wenn man zurücktritt.
frollein krise,
„mit ohne reservierung“
als wie wenn ob dat wichtich waer.
na sowas, sie sind auch aus der jejend! (meine besuche an der heimatfront enden am bahnhof hueckelhoven-baal…)
nun erklaeren sich mir ihre weltsicht und der gelassene trockene humor (ja nicht immer, aber wir sind ja auch keine koelner…) nochmal anders und vertrauter.
haben sie womoeglich auch noch an der alten ph in aachen studiert?
frl. krise vielen dank, dass wir an ihrem (schul-)alltag teilhaben duerfen und fuer einige diskussionen ueber ihren blog bzw. blogeintraege in meinem ausserschulischen paedagogen-fachkreis. unterschaetzen sie ihre wirkung nicht.
ich weiss sie arbeiten ganz woanders, aber in berlin schoeneberg ist vieles genauso ,-)
schoene ferien wuensche ich ihnen.
p.s.
sie schrieben neulich ueber ihre besucherstatistik. ich bin auch ueber die reeperbahn zu ihnen gekommen und seitdem ein rss-abonnent. wenn wir wirklich nicht gezaehlt werden, haben sie millionen mehr leser. ich weiss alleine von von ca. 25 solcher abonnenten.
hückelhoven…hahaha…seeeehr vertraut! An der Ph Aachen war ich nicht, zum Studium war ich schon fern der heimat.
Hej, Baal kenne ich wie meine Westentasche. 😉 Einer der schönsten Regionalbahnhöfe zwischen Nordeifel und Niederrhein. Oder wenigstens der mit der schönsten Aussicht. Und schon als Heranwachsender hat es mich gefreut, dass ein so gut-katholischer Ort einen so unheiligen Namen trägt.
Eine Tante von mir, Schottin, Kindergärtnerin, -ausbilderin, Sonderschullehrerin mit viel Humor und gutem Gefühl für die Persönlichkeit von Kindern, erzählte mir mal, was sie während einer Busfahrt in Glasgow erlebte. Ein sehr lebhaftes (!) Kind plagte die Erwachsenen in seiner Nähe, die Mama sah das eher mit Wohlgefallen. Schließlich spuckte das Kind einen jungen Mann an. Der war empört, die Mama: Sie erziehe ihr Kind antiautoritär. Der junge Mann schwieg, aber im Aufstehen und Aussteigen spuckte er die Mama an und sagte, er sei auch antiautorität erzogen.
Aber das ist wohl doch nicht der Stil von Frl.Krise…
Die Story scheint mir eine „Urban Legend“ zu sein, denn ich kenne die Reaktion auf das Kind und die Mutter mit einem Glas Honig, dass mit der gleichen Erklärung in einem Supermarkt über den Kopf der Mutter ausgegossen wird.
Aber dennoch eine gute Geschichte.
jaja, vornehmlich erwachsene Menschen und irgendwie ihnen anverwandte Menschen in öffentlichen Verkehrsmitteln.
Wobei die Pseudoghettokids morgens im Bus von meinem Hochhausvorort in der kleinen Universitätsstadt im ungefähren Norden von NRW mich doch immer wieder die U-Bahnfahrten in Berlin vermissen lassen. Die glauben hier alle sie wären so schlimm Ghetto, aber wenn ich denen erzähle wie da aussieht, wo ich herkomme, sind sie immer voll erschrocken.
Zugfahren ist manchmal besser als Kabarett.
Wissen Sie, was ein hole-in-one ist, Frl. Krise?
Das ist, wenn Jemand erstmals auf Ihren Blog stößt, liest und liest und liest,
sich sofort heimisch fühlt und sie zu seinen Favouriten hinzufügt :-).
Freundlich winkt aus seiner Kellerzelle herüber: _rain
Danke und einen Gruß runter ins Schattenreich des Kellers.
Betreff : Kinder/Erziehung
Ulm. In einem Supermarkt.
Eine ältere Frau kauft mit ihrer knapp dreijährigen Enkelin ein. Die Kleine schiebt ihren Kindereinkaufswagen wild durch die Gegend.
Dazu die Großmutter: “Jetzt pass mal auf, wo du den Wagen hinschiebst. Und wenn du wieder einen anrempelst, dann sagst du ‘Entschuldigung’ und nicht ‘Boing’!”
belauscht in Ulm von Victoria
Augen zu und durch ist halt manchmal die beste Möglichkeit. 😉
was sibd das für seltsame orte an die es dich treibt frl. krise.
Frau Freitag, warten Sie mal ab! Wer weiß, wo Sie demnächst alles hin müssen…höhöhö…..vielleicht lernen Sie dann diese Gegend auch mal kennen, dann fahr ich aber mit, schwör!
manno – sind!
Fräulein Krise, darf ich Ihnen meine ganz persönliche Liebeserklärung überreichen? Danke für spannende Texte, vieldeutige Überschriften und große Lacher (die Krise ist überall) Schade nur, dass ich jetzt, wo ich das Archiv durch habe, weniger auf einmal lesen kann. (vgl. auch Frau Freitag: Bei Lehrer musst du richtig schleimen 😉 )
Ach ja, und da, wo ich herkomme, würde das Schtolllbärsch heißen, mit drei Rachen-L…
jaja …isch höret rischtisch!
Hallo… was ist denn jetzt wieder passiert? Es war gerade spannend und jetzt hat mir einer anscheinend die Fortsetzung geklaut!!! Wo find ich denn die nachgereichten Schriften? Das ist kein schöner Büromorgen…
😀 Hm, hieß das Mädchen echt Mathilda? Wär ja was… Da musste ich ganz spontan an einen recht netten Kinderroman von Roald Dahl mit Titel Matilda denken… Das Mädel da hatte genug Energie um Gegenstände durch Konzentration zu bewegen…
Danke für den erheiternden Bericht.
Mathilda! Und sonst nichts.
‚lach‘ Seit zwei Tagen les ich hier nun fleissig & ejtzt steht hier Düren! Da komm ich auch her & die S-Bahn ist immer ganz furchtbar!
Allerliebste Gruesse; ein neuer Fan!
S.
Herrlich! Ich habe Ihr Blog kürzlich gefunden und lese, was ich kann. Danke für die tollen Geschichten und dafür, dass Sie den Kampf mit den Windmühlen jeden Tag wieder aufnehmen!
Und dass in Ihrem Blog auch Hagen vorkommt, adelt das Ganze natürlich erst recht 🙂