Achtung, es geht los!!! Bitte gut festhalten! Eine Zeitreise beginnt!
Zurück ins Mittelalter…
Heute in der achten Stunde machen wir im Theaterkurs des 9. Jahrgangs eine erste Leseprobe.
Das neue Theaterstück, an dem wir arbeiten, hat das Thema Verleumdung/üble Nachrede und die daraus entstehenden Folgen für den Einzelnen zum Thema.
Wir entwickeln die Szenen zum Teil aus eigenem biographischem Material, ich habe aber auch kleine Textbausteine besorgt, denn die Handlung wird nicht nur in der Neuzeit, sondern auch im Mittelalter spielen. (Eine junge Frau wird aus Eifersucht und Neid der Hexerei bezichtigt und dem Inquisitor vorgeführt).
Auch der Teufel tritt kurz auf…er freut sich über das Geschehen und sagt sinngemäß, schön, dass er nicht eingreifen müsse, die Menschen bekämen, wie man sähe, ihre schlechten Taten auch ganz alleine ohne ihn hin.
Da bricht es über mich herein!
Meine Schüler sind entrüstet. Alle reden und schreien durcheinander und aus dem Durcheinander schält sich ganz langsam heraus, dass der Teufel und Gott ein Art Wette abgeschlossen haben und dass das Verhalten des Menschen sich AUSSCHLIEßLICH danach richte, wer von den beiden der Sieger sei…..
„Moment mal,“ sage ich, „ das habe ich jetzt wohl nicht ganz richtig verstanden! Also, Aynur, wenn du z. B. vorm Klassenraum stehst und dir überlegst, gehe ich rein oder nicht und du entschließst dich zu schwänzen, dann…“
„….dann ist daran der Teufel schuld!“ sagt Aynur und nickt zufrieden.
„Nein, nein,“ sage ich, „dann bist DU daran schuld, du hättest dich ja auch FÜR die Schule und GEGEN deine Faulheit entscheiden können.“
„Gucken Sie mal, Frl.Krise,“ sagt Aynur ein bisschen mitleidig, „Das ist nun mal so bei uns! Das verstehen Sie nicht!“
Wie ich diese beiden Sätze hasse! Sie ersticken jede Reflexion, jede Diskussion und jede Entwicklung schon im Keim.
„ Wissen Sie, wie ich damals das geklaut hatte,“ erklärt mir Ali ernsthaft, „vallah, eigentlich konnte ich nicht dafür, war auch Teufel schuld!“
„Warum sagst du so, ich hab voll Angst,“ lässt sich jetzt Nesrin vernehmen,“ wenn man soviel von Teufel redet, ist er da – er ist hier, bestimmt!“
Alle kreischen auf.
„So’n Quatsch,“ schreit Hanna, „wo soll der denn NOCH überall sein, über den sprechen doch bestimmt noch mehr Leute gerade!“
„Du Hässlichkeit, es gibt doch viele Teufel,“ schreit Ebru zurück„ bist du dumm, Spast!“
„ Du gehst raus, Ebru,“ sage ich streng, „wir können hier über alles reden, aber nicht in diesem Ton.“
Ebru ist auf einmal ganz klein. „Nein, nicht raus,“ fleht sie, „ ich hab voll Angst alleine draußen, wegen Teufel.“
Oh nein, wo bin ich hier hin geraten….
Ebru klammert sich an Aynur fest.
„Frl. Krise,“ sagt Aynur mit weit aufgrissenen Augen, „ich hab schon mal Teufel gesehen, bei meine Tante. Aber ich weiß nicht genau, waren vielleicht auch Geister. Sie hat zwei in Küche, die helfen ihr immer und wenn Onkel meine Tante schlägt, werfen sie Glas oder so auf Boden……“
Jetzt kann ich einpacken…. Alle reden gleichzeitig in höchster Lautstärke aufeinander ein…man kann nur noch Bruchstücke verstehen, es ist von Teufeln, schwebenden Steinen, Geistern, Allahs Namenszug in Wellen, Engeln und Dschinn, Gefallenen im Himmel, Gräbern voller Schlangen, mit Schwertern durchbohrten Totenschädel, Blut auf Wegen, nächtlichen Stromausfällen, brennendem Wasser auf Verstorbenen und noch sehr viel mehr die Rede – alles natürlich selbst gesehen, erlebt oder erzählt bekommen…
Das geistliche Personal und die Geschichten verflossener Jahrhunderte scheinen sich hier und heute ein Stelldichein zu geben….
Kaum einer meiner Schüler hat Religionsunterricht…was sie sich erzählen, würde in DIESER Form wahrscheinlich jeden Hodscha zum Kopfschütteln bringen, hoffe ich…
Ich glaube, ich muss das Mittelalter aus dem Theaterstück herausnehmen….
Nicht rausnehmen, thematisieren, wenn irgend möglich…
So weit weg ist das alles nicht von der katholischen Kirche noch vor wenigen Jahrzehnten, v.a. in ländlichen Gegenden. Da gibt es sicher einige, die noch was erzählen können von diesen abstrusen Angst machenden abergläubischen Geschichten über den Teufel und ähnliche Seltsamkeiten.
Auch wenn die Klasse (hoffentlich) übertrieben hat – Aufklärung statt Theaterstück umschreiben. (Ich weiß, Nicht-Lehrende haben leicht reden…) 🙂
Es ist ja nur…weil ich sone Storys nicht woche für woche ertragen kann….
Das Mittelalter ist Gegenwart, ist Zukunft, ist Teil von D. Es lässt sich aus dem Theaterstück herausnehmen, aber nicht aus den Köpfen auslöffeln….
… vielleicht hilft ein Kettenbrief ?????
oder kettenhemd?
Kettenhemden sind heutzutge bei modernen Rittern noch sehr beliebt! Sollte man nicht glauben….
Wenn ich sowas lese, kann ich nur den Kopf schütteln. Aber vielleicht lässt sich ja was mit Weihwasser machen. Bekanntlich kommt der Teufel ja nicht auf geweihten Boden.
Ich verstehe nur nicht, wie der Teufel von Aynur Besitz ergreifen konnte, wo sie doch das Auge trägt. Ich dachte das schützt auch vor sowas. Irgendwie verwirrt mich diese Religion dann doch zu sehr.
Kling aber sehr bequem. Der Deibel ist schuld wenn ich Blödsinn mache. Ich kann nichts dafür. Suuuper. Dummheit hat alle Freiheitsgrade die sie will. Richtig sind nur wenige Möglichkeiten.
Ist doch der Trick bei den meisten Religionen, oder?
Vielleicht sollten Sie mal so einen gesunden tasmanischen Teufel http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Tasdevil_large.jpg
mit in die Klasse bringen.
Voll süüüüüüß……würde Nesrin sagen!
Liebes Frollein Krise (ich weiß: „Fräulein“),
ich habe da etwas für Sie (womöglich kennen Sie es schon):
Es paßt wohl zu jeder Geschichte, die Sie erzählen.
Ganz ehrlich ? Ihre berufliche Welt würde mich in den Wahnsinn treiben. Ihre liebevolle Gelassenheit bewundere ich. Diese Geduld hätte ich nicht. Es ist wohl eine Frage des Naturells…
Beste Grüße an Sie nach Berlin.
Ich kenne es…ist aber immer wieder ulkig, danke!
Liebevoll? Gelassen? Haha, fragen sie mal meine Schüler…….
Sein Verhalten mit dem Teufel zu entschuldigen ist doch etwas urdeutsches. Schon Udo Jürgens hat gesungen:
„Der Teufel hat den Schnaps gemacht
um uns zu verderben.
Ich hör‘ schon wie der Teufel lacht,
wenn wir am Schnaps einmal sterben.“
Jetzt freuen Sie sich doch mal über diese gelungene Integration Ihrer Schüler!
AUFREGEND! besser gehts doch eigentlich nicht. alle können was mit dem stück anfangen und denken sich da volle kanone rein.
Nur eine kleine Anmerkung aus der Rechtsgeschichte: Hexenverfolgung und Inquisition sind im wesentlichen neuzeitliche Phänomene. Das Mittelalter kannte zwar auch grausame Verfolgungen von religiösen Abweichlern (z.B. Albigenser und Katharer), aber die systematische Verfolgung von Hexen und Zauberern und die Folter im „verwissenschaftlichten“ Inquisitionsprozess hatten ihren Höhepunkt im 16. bis 18. Jahrhundert. Die letzte Hinrichtung eines Ketzers in Spanien fand 1826 statt. Insofern hat Europa diese irrationalen Vorstellungen erst vor vergleichsweise kurzer Zeit hinter sich gelassen.
Dass naive Vorstellungen von „Gut“ und „Böse“ nun aus der islamischen Welt zu uns kommen, deren Theologie im Vergleich zur christlichen so gut wie nicht universitär aufbereitet worden ist und in der es keine zentralen Autoritäten gibt, verwundert nicht. Da bleibt nur die Hoffnung, dass die Schulbildung die Klügeren der im familiären Aberglauben Befangenen erreicht und zu aufgeklärten Erwachsenen macht.
Ich bin wirklich für islamischen Religionsunterricht an den Schulen, erteilt von ausgebildeten (! ) Hodschas. Die jetzige Form der religiösen Verbildung (…meine Cousine hat gesagt….) ist wirklich gruselig (mein Beitrag entbehrte nicht eines gewissen Euphemismus).
Wette zwischen Gott und Teufel??? Bin ich die einzige die denkt, sie sollten sofort mit den Schuelern Faust lesen?
😉
Wenn du mir eine Fassung in Simpel-Deutsch schreibst! Dann gerne…
..vielleicht könnten Sie mit der Klasse den Film gucken 😉
Im Ernst, gibt es in Ihrer Nähe evtl. einen Hodscha, der Ihnen zu diesem Thema ein „so-wehre-ich-mich-gegen-den-Teufel-diskutier-nicht-mit-Frl.-Krise-das-IST-so“ aufschreibt?
Zum kopieren, verlesen und der Bande mitgeben?
(ach…wann soll ich das bloß alles machen…einen schwulen müsste ich auch noch einladen…und einen ehemaligen Schüler auch … und einen mit Raucherbein….und donnerstag ist projekttag…und die berufsberaterin kommt auch noch nächste woche…..)
Ja, danke, das ist eine gute Idee! Aber das alles hinzukriegen ist das Problem. Ich kann ja nicht nur mit den Fingern schnippen und schon sitzt der passende Hodscha am Pult…*stöhn
..deshalb: einem Hodscha einen Brief schreiben, Antwortschreiben (falls geeignet) veröffentlichen
😉
Hier „Faust“ als Comic:
http://www.nichtlustig-shop.de/product_info.php?info=p206_Faust—Der-Tragoedie-erster-Teil.html
Aber das mit der fehlenden Zeit kenne ich; Weihnachtsgeschäft läuft auf Hochtouren, und jetzt soll ich in 3 Schulen meinen Beruf vorstellen..
danke, schöner tipp!
Vielleicht gibt es ja einen schwulen ehemaligen Schüler, der jetzt Hodscha ist und ein Raucherbein hat? 😉